Siebdruckworkshop mit den Künstlerinnen aus dem Hamburger Gängeviertel

Verfasst von den Teilnehmerinnen Claudia Kulenkampff und Rita Kohel.


Einleitung

Da unser Flug aufgrund der unsicheren politischen Lage vor dem 08.05. um drei Tage verschoben wurde, waren wir sehr froh festzustellen, dass die Stimmung, die in Jerewan nach der friedlichen, erfolgreichen „Revolution“ herrschte, sehr positiv war.

Dank unserer Gastgeberin Mary Moon hatten wir einen sehr persönlichen, interessanten und abwechslungsreichen Aufenthalt :
Besuch der Armenia Artfair, Vernissage in einer Pop-Art-Gallery mit Modenschau, Abendessen mit Künstlern, Sightseeing in der Stadt, Ausstellung „Kupikazu Exhibition“, Sevansee, Nachtleben, Open-Print-Sessesion… im Folgenden mehr.

 

Tag 1

Nach der Ankunft um 5h morgens in der Hryacha Kochar Nr 13, einem massiven Betongebäude russischer Bauart in dem viele Künstler leben und arbeiten, und ein paar Stunden Schlaf, trafen wir Natia Mikaeladse-Bachsoliani im Goethe Institut Jerewan.

Wir wurden herzlich begrüßt, unterschrieben unsere Verträge und durften auch im Anschluss gleich köstlichen georgischen Rotwein probieren, den uns unser Fahrer Artur fröhlich einschenkte.
Anschliessend liefen wir durch die Innenstadt, bereiteten in unserem Apartment Siebe vor und gingen dann auf die Armenia Art Fair, wo wir einen sehr interessanten Vortrag über armenische und vorderasiatische Kulturzusammenhänge hörten und die Ausstellung ansahen.

Anschliessend gab es im Nebengebäude die Eröffnung einer Ausstellung des jungen armenischen Malers Narek Barseghyanin in einer Pop-up-Gallery in einem Rohbau- Stockwerk eines Hochhauses mit Dj und Modenschau samt grandiosem Blick über die Stadt und vielen interessanten Begegnungen.

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Tag 2

Das Siebdrucken auf der Kunstmesse wurde gut angenommen. Von 12h- 18h war bei uns immer was los und die Leute mit „Feuereifer“ dabei.
Viele haben sich etwas selber gedruckt oder mit unserer Hilfe oder der Hilfe der Studentinnen der „Fine Arts Akademy“, etwas drucken lassen. Mit den Studentinnen hatte Mary in der Woche zuvor schon mit dem Siebdrucken in ihrem Atelier begonnen. Die Aktion war ein voller Erfolg!

Abends waren wir dann bei anderen Künstlern, Freunden von Mary eingeladen. Aus dem Essen wurde dann noch eine lustige Party mit selbstgebranntem Wodka, tanzen und singen.
Sie haben uns überschwänglich willkommen geheissen und oft gesagt , dass wir schon fast Armenierinnen seien und schnell wiederkommen sollen.

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Tag 3

Montag war dann unser erster Tag des Siebdruck-Workshops mit den Studentinnen. Wir haben einen 2- stündigen Vortrag übers Gängeviertel, die Geschichte und Techniken des Siebdrucks gehalten. Ausserdem wurden neue Siebe hergestellt und die individuellen Motive der Studentinnen besprochen.

Abends haben wir einen Stadt- Spaziergang gemacht, die Grafik-Ausstellung „Kupikazu“, sowie den ehemaligen Bazar im Zentrum angesehen.
Dann gab es wieder ein Zusammentreffen mit Freunden von Mary. Diesmal in einem witzigen Café in dem alles voller handgemachter Kunsthandwerke, Zeichnungen und Kuriositäten stand.

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Tag 4

Nach einem Bummel durch die Läden in unserer Umgebung und einem kleinen Mittagessen, ging es weiter mit den Studentinnen. Es wurde Beratung und Hilfestellung zur Erstellung der Siebe gegeben. Die Siebe wurden beschichtet und teilweise auch belichtet.

Nach unserem Kurs kam Besuch aus Hamburg und wir gingen alle zusammen durch die leuchtende, nächtliche Stadt vorbei an einer der wichtigsten Sehenswürdigkeiten, der Kaskade.
Wir hörten den Geschichten Marys über Jerewan zu, assen dabei Lamacun und tranken ein Glas hervorragenden Wein in einer der zahlreichen, coolen Bars und Restaurants in der Innenstadt.

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Tag 6

An diesem Morgen sind wir sehr früh aufgestanden weil wir mit Mary auf den Bazar gehen wollten,
da zeigte sich der Berg „Ararat“ ausnahmsweise fast ganz unbewölkt. Der „Bazar“ war „nur“ der Gemüsemarkt. Man findet dort vor allem das übliche an Gemüse und sehr viele frische Kräuter, die im Salat mitgegessen werden. Ausserdem Schafskäse und tolles Obst. Die Menschen waren sehr neugierig, aufgeschlossen, überschwänglich, herzlich und humorvoll; fast jeder kennt jemanden in Deutschland oder jemanden der einen kennt, der in Deutschland gelebt hat. Der Markt ist interessant gelegen, am ehemaligen Hauptbahnhof. In sozialistischer Manier, pompös gebaut, steht er heutzutage fast ganz leer bis auf das Bahnhofsmuseum durch das wir eine ausführliche Führung bekamen.

Unsere Studentinnen waren sehr fleissig und haben ihre teilweise recht anspruchsvollen Motive auf unzähligen Papieren mit unterschiedlicher Farbgebung ausprobiert. Teilweise wurde auch auf Leinwand oder Stoffen gedruckt. Fast alle hatten sich für einen Mehrfarb-Druck entschieden.

Sie haben dabei viel Erfahrung gesammelt im Bereich Siebe beschichten, Siebe belichten, Siebe entschichten, Farbauftrag/Drucken, Siebe säubern, Kombinationen mit verschiedenen Motiven, Drucken auf verschiedenen Untergründen und Genauigkeit, die beim Siebdrucken hilfreich ist.

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Tag 7

An diesem Tag haben wir einen Tagesausflug gemacht und den Sewann See, Dilijan sowie das Kloster Hagharzin besichtigt.

Tag 8

Samstag war der große Tag der „offenen Werkstatt“ und wir haben das ganze Atelier für unsere offene Siebdruck-Session umgeräumt und vorbereitet.
Ausserdem haben wir eine Diashow installiert, die Bilder über das Gängeviertel, den Studentinnenkurs und das Siebdrucken im Allgemeinen zeigte. Im Treppenhaus gab es eine Ausstellung mit Siebdruckarbeiten von uns und ausgewählten Arbeiten der Studentinnen.
Es waren über den Nachmittag verteilt ca 50 Leute anwesend. Teilweise waren die Besucherinnen sehr interessiert und haben sich viel Zeit für ihre ersten Drucke gelassen. Angesetzt waren 3 Stunden, insgesamt zog sich die Veranstaltung über 8 Stunden hin. Es kamen viele schöne Arbeiten auf Papier und Stoff zustande. Das Angebot der offenen Werkstatt wurde gut angenommen. Als Fazit würden wir gern beim nächsten Mal großflächiger und früher Werbung machen. Wir würden sicherlich noch mehr Leute erreichen. Und so würde auch eine grössere Werkstatt für all die Besucher benötigt.

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Letzer Tag

Am Sonntag machten wir letzte Besorgungen. Dann trafen wir uns zusammen mit Mary und Natia Mikaeladse-Bachsoliani, um unsere Woche zu reflektieren und über zukünftige Kunstprojekte bei armenischen Spezialitäten zu sprechen.
Zum Abschluss sind wir noch ein wenig ins Nachtleben eingetaucht, bevor es zurück zum Flughafen ging.

Fazit

Ein grosser Teil die Künstlerszene scheint in traditionellen Themen „verhaftet“ zu bleiben. Wir haben viel romantische Malerei und altes Kunsthandwerk gesehen, allerdings kaum Streetart, Grafitti, etc.. Es erscheint als könnte der Charme der 80er Jahre aufflammen. Der Wunsch nach „dilettantischer Malerei“ und neuer „wilder Kunst“ ist zumindest in den Gesprächen mit Mary und den Kunststudentinnen entstanden. Jerewan hat unserer Meinung nach viel Potenzial, jenseits des lokalen Kunstbetriebes, neue künstlerische Formate anzubieten und zu entwickeln. Die Menschen, denen wir begegnet sind, waren stets neugierig und offen für neue Impulse, moderne Kunst, Urban Art, etc.

Wir möchten gerne bald mit einer grösseren Gruppe aus der Farbfabrik/Gängeviertel und ausgewählten Künstlerfreunden wieder kommen und vorher auch in Deutschland weitere Gelder zur Finanzierung des Projektes akquirieren.

Mit dem Ziel einen Urban-Art-Space einzurichten, im nächsten Jahr an einem Festival mitzuwirken, eine offene Werkstatt zu etablieren und eine Ausstellung mit Artisttalk zu organisieren. Die aktuelle elektronische Musikszene aus Hamburg und Jerewan möchten wir integrieren, für eine grössere Wirksamkeit insgesamt. Zusammen mit Mary Moon möchten wir dafür ein leerstehendes Gebäude finden; gerne eine alte Villa oder eine alteFabrik.