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DANACHGEDANKEN. Reflexionen für eine Post-Corona-Zeit: Von Ani Qananyan und Ed Tadevossian
18/04/2020 @ 8:00 - 17:00
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Ein Virus führt uns vor Augen, wie global vernetzt und zugleich fragil unser öffentliches Leben ist. Was bedeutet die Pandemie für jede*n Einzelne*n von uns und was für die Gesellschaft?
Intellektuelle und Künstler*innen weltweit antworten auf diese Frage – mit Blick auf das Jetzt und mit Blick auf eine Zeit danach.
Hier der Beitrag von dem Künstlerpaar Ani Qananyan und Ed Tadevossian aus Jerewan.
Wie jede tiefe Wunde wird auch diese Pandemie eine Narbe auf der Oberfläche der menschlichen Evolution hinterlassen.
Wie eine einsame Windmühle in einem behelfsmäßigen Schutzraum isoliert, verwandelt der Mensch digitale Informationsströme in Hashtags. Es gibt keine ungefilterte Information mehr, jede Nachricht, jede Warnung, jede Anfrage ist eine Übersetzung, Lokalisierung, Adaptierung an die eigene Realität.
Daten werden von den Verantwortlichen in jedem Land direkt der Quelle entnommen, lokale Elemente entsprechend der jeweiligen Zensur hinzugefügt, gekürzt, verändert – das Endergebnis wird zu etwas vollständig Neuem. Dann ergänzt jede*r beim Weitersenden der Informationen von offizieller Stelle seine eigene subjektive, emotionale Wahrnehmung. Das Ergebnis ist eine chaotische Masse, dekoriert mit semantischen Hashtags.
Nach jeder Krise, sei es ein Krieg, eine Naturkatastrophe oder eine Pandemie draußen vor dem Fenster, kommt eine Zeit, in der „Ruinen gesäubert werden“. Unsere Strategie des Umgangs damit besteht aus handwerklicher Arbeit. Wir praktizieren in unserem Schutzraum #stayinghome und nehmen unseren Wohnraum in Augenschein, während uns die neue Realität dazu veranlasst, uns mit allen Oberflächen dieses vertrauten Territoriums bekannt zu machen. Wir nehmen Dinge in die Hand, die zuvor einfach herumlagen, recherchieren in digitalen und analogen Archiven, sortieren alte Arbeiten und planen neue Arbeiten in einer relativ neuen Welt. Am Abend schüren wir dann ein Feuer oder machen Popcorn und schauen einen Film.
Wie jede tiefe Wunde wird auch diese Pandemie eine Narbe auf der Oberfläche der menschlichen Evolution hinterlassen, aber in zwei Generationen wird man Märchen darüber erzählen. Der menschliche Körper wird Immunität entwickeln, Virolog*innen werden eine Wunderpille erfinden. Der Inhalt von Erste-Hilfe-Kästen wird sich verändern. Gleichzeitig werden die Menschen nicht aufhören, das zu tun, was sie zu tun gewohnt sind. Ein paar Jahre wirtschaftliche Unannehmlichkeiten und alles wird zur Normalität zurückkehren – einer neuen Normalität. Die Welt wird sich nicht in eines der postapokalyptischen Szenarios verwandeln, die wir aus Büchern und Filmen kennen. Es ist möglich, dass es mehr Kontrolle über den Personenverkehr geben wird, aber schließlich verfolgte Big Brother ja ohnehin bereits alles, nicht wahr?
Die Welt war auf der Suche nach einer Lösung für ein Problem noch nie so geeint. Wir beobachten in Echtzeit, wie sich die Lage entwickelt und welche Entscheidungen jedes Land trifft. Es spielt keine Rolle, wie und woher das Virus gekommen ist, wie viel Zeit und Mittel es erfordern wird, um einen Impfstoff zu finden, jede*r Einzelne sorgt heute dafür, dass sein*e Nachbar*in in Selbstisolation ein kleines Stück sicherer ist.
Und natürlich brauchen wir Sinn für Humor. Egal, wie sehr die Lage außer Kontrolle gerät oder übermäßig kontrolliert wird: Es gibt Menschen, die Bilder von van Gogh mit Gesichtsmaske erstellen.
Autoren
Ani Qananyan und Ed Tadevossian sind ein junges Künstler*innenpaar aus Jerewan, Armenien. Ani Qananyan (1990 in Georgien geboren) arbeitet als Bildhauerin in Ton sowie als Malerin und Restauratorin für Wandmalerei. Als Malerin hat sie sich dem abstrakten Expressionismus verschrieben; ihre Tonarbeiten bestehen primär aus abstrakten Objekten. Sie war in mehreren Ländern an der Restaurierung armenischer Kirchenfresken beteiligt. Ed Tadevossian (1982 im armenischen Gjumri geboren) ist Dokumentarfotograf. Er interessiert sich vor allem für die Arbeitsprozesse von Menschen in verschiedenen Berufen. Beide zusammen gründeten In ihrem Wohnhaus die Shushan Gallery.
Übersetzung: Elisabeth Meister aus dem Englischen
Copyright: Goethe-Institut e. V., Online-Redaktion
April 2020