Regionalausstellung „Die Stadt von Morgen“ in Jerewan eröffnet

Die sowjetische Stadt und ihre Architektur wurden als Modell für eine neue
Gesellschaft entworfen. In der ganzen UdSSR sollten sie ein Gefühl von sozialer
Einigkeit vermitteln. Die Wanderausstellung „Die Stadt von morgen“ lotet die
architektonische Umsetzung von alternativen Gesellschaftsentwürfen aus, die
emanzipative, aber auch unterdrückende und kolonialistische Elemente aufweisen.
Im Mittelpunkt stehen die Entwicklung der modernistischen Sowjetarchitektur und
ihr heutiges Erbe – mit all den Vertretern, lokalen Dialekten und unbekannten
Meisterwerken.
Die Entwicklung des Sowjetmodernismus
Der ideologische Aufruf zur Modernisierung der UdSSR in den 1920ern führte in
Städteplanung und Architektur zu einer radikal neuen, modernistischen
Formsprache. Dabei war die Sowjetarchitektur eng mit dem universellen Projekt
des Modernismus verbunden, insbesondere mit dem Bauhaus und Ernst May, der
in den 1930ern auf einer Reise durch die UdSSR sogar einen Bebauungsplan für
Leninakan (Gjumri) erstellte.
Die zweite Blütezeit
Nach dem Ende der Stalinära erlebte der Sowjetmodernismus ab 1955 eine zweite
Blütezeit. Angetrieben von der Ideologie des wissenschaftlichen und
technologischen Fortschrittes experimentierten Architekten nun mit internationalen
Konzepten und übernahmen Ansätze ihres verdrängten Erbes aus den 1920er
Jahren.
Auf der Suche nach einer eigenen Identität
In den 1960ern entfaltete sich jedoch zunehmend Kritik an der Industrialisierung
von Raum und Architektur. Lokale Eliten und Architekten suchten nach einer
regionalen oder nationalen Identität. Avantgarden entstanden, die der
gleichmachenden Politik der zentralen Moskauer Bürokratie trotzten.
Architektur als Antwort auf den Westruck
In den 1970ern erfolgte ein weiterer Paradigmenwechsel. Unter Breschnew
eignete sich die Gesellschaft einen westlicheren Lebensstil an. Der
kommunistische Geist im Alltagsleben wurde schwächer. Die Architektur reagierte
darauf mit neuen Bauten: vom Pionierlager über Künstlerhäuser und Zirkus bis hin
zum Hochzeitspalast.
Ende oder Revival?
Mit dem Zusammenbruch der UdSSR in den frühen 1990ern fand der
Sowjetmodernismus ein abruptes Ende. Ein Großteil der utopischen Projekte blieb
ein Fragment oder schlug schließlich fehl. Viele der Strukturen und Formen sind

heute verschwunden. Dennoch prägen die Konzepte und Gebäude weiterhin viele
Städte der früheren UdSSR – und eine Generation von jungen Aktivisten beginnt
nun, sich für Erhalt und Neuinterpretierung einzusetzen.

„The City of Tomorrow — Die Stadt von Morgen“
Die Wanderausstellung selbst ist unorthodox und ortsspezifisch: In jeder Stadt und
an jedem Ausstellungsort arbeitet sie mit lokalem Archivmaterial und behält nur
eine Art Kern bei, der sich in jedem neuen Kontext auf andere Weise entfaltet.
Am 11.07.2019 wurde die Ausstellung an ihrer ersten Station in Jerewan eröffnet.
Dort ist sie bis zum 07.09.2019 im „Alexander Tamanyan“-Nationalmuseum und
Institut für Architektur zu sehen.
2019 folgen Ausstellungen in Minsk und Moskau.
Kuratoren: Ruben Arevshatyan, Georg Schöllhammer
Projektberatung: Boris Chukhovich, Tatiana Efrussi, Nikolay Erofeev, Mark
Hakopian, Olga Kazakova, Dimitrij Zadorin
Projektpartner: „Alexander Tamanjan“ Nationalmuseum und Institut für

Architektur, Jerewan
„Schtschussew“ Staatliches Architekturmuseum, Moskau
„MArchI“ Moskauer Architekturinstitut und -museum,

Moskau Institut für Modernismus, Moskau
Display und Grafikdesign: Future Anecdotes, Istanbul