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Die armenische Frau und das 20. Jahrhundert: Ajtsemnik Urartu. Online Ausstellung
22/06/2020 @ 12:00 - 24/06/2020 @ 18:00
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Ajtsemnik Urartu (1899-1974) war die erste Bildhauerin in der Kunstgeschichte Sojwetarmeniens. Sie wurde mit dem Titel „Volkskünstlerin der UdSSR“ ausgezeichnet.
Ajtsemnik Khachatrjan Urartu kam 1899 in einer Pädagogenfamilie in Kars zur Welt.
Ajtsemnik Urartu, 1940
Während des Ersten Weltkrieges zog die Familie nach Stawropol, wo das junge Mädchen bis zur 8. Klasse das Gymnasium besucht hat. 1921 wurden in Baku Kunstberufsschulen und Werkstätte eröffnet, die damals von dem berühmten Bildhauer Stepan Dmitri Erzjan geleitet wurden.
Urartu nahm am Kunstkurs von Stepan Dmitri Erzjan teil und beendete ihn 1925. 1926 beteiligte sie sich in Moskau an einer Ausstellung, in der die bekanntesten Künstler und Bildhauer der damaligen Zeit präsentiert waren. Urartu stellte zwei Werke aus, die in realer Größe gemeistert waren: „Ruhe“ und „Der Obdachlose“. Ihre Werke wurden von den Teilnehmern und Kritikern sehr hoch bewertet.
„Die Ruhe“, 1926, „Der Obdachlose“, 1926
Im selben Jahr siedelte Urartu nach Armenien um und setzte ihren Berufsweg in Jerewan fort.
In den Jahren 1926-1940 schuf Urartu eine Reihe von Werken, die teilweise Skulpturen von bekannten armenischen Persönlichkeiten darstellten, darunter aber auch zahlreiche andere Kompositionen und Basreliefs:
1. „Vorwärts“, 1927, 2. Isahakjans Porträt, 1929, 3. „Die junge Frau“, 1929-32, 4. Das Porträt der Sängerin Duchowskuhi, 1927
1.Die Büste von S. Schahumjan, 1934, 2. „Das Mädchen mit den Früchten“, 1931-34, 3. „Anusch“, 1938, 4. Entwurf von Howhannes Tumanjans Statue, 1938
1.“Msra Melik und David“, 1938, 2. „David von Sassun“, 1939, 3. Martiros Sarjans Porträt, 1947
Fast zehn Jahre lang arbeitete Ajtsemnik am Denkmal des großen armenischen Dichters Hovhannes Tumanjan. Die Idee der Komposition bestand darin, dass neben der Gestalt des armenischen Dichters auch noch seine Helden dargestellt werden sollten: Anusch, Maro, Almast, David von Sassun, Msra Melik usw.
In Urartus Werken werden durchgehend, wie ein roter Fanden, aristokratische und kühne Gestalten emporgehoben. Und obwohl Tumanjans Denkmal nicht realisiert werden konnte, erhielten ihre anderen Werke aus dieser Zeit einen eigenen künstlerischen Wert.
Urartus Skulpturen der Tumanjan Reihe trugen dazu bei, dass sich in der armenischen plastischen Bildhauerei ein neuer lyrischer Zweig bildete. In dieser Reihe kam besonders die künstlerische Individualität, Flexibilität und Eigenart des Stils der Meisterin zum Vorschein. Die sanften Volumen der Werke schufen milde Übergänge von Licht und Schatten, zarte Konturen und eine stabile Komposition im Ganzen.
Ajtsemnik beteiligte sich auch aktiv am gesellschaftlichen Leben des Landes. Sie war in den Reihen der Aktivisten, die sich für die Gründung der Künstlerunion einsetzten.
Trotz ihres Erfolgs im beruflichen Werdegang wurde sie, wie es scheint, von einem bösen Omen verfolgt. Eine ihrer Kompositionen wurde 1937 zur Armenischen Dekade nach Moskau geschickt und kam mit so großen Beschädigungen an, dass sie nicht mehr restauriert werden konnte. Im selben Jahr wurde Aschot Ionesjan, der Mann, den Ajtsemnik liebte und dessen Meinung für sie sehr wichtig war, verhaftet.
Aschot Ionesjan war ein bekannter Bolschewik und Revolutionär. Von 1922-1927 war er der erste Sekretär des Zentralrates und später Akademiker der Nationalakademie der Wissenschaften. Er hatte die Münchner Universität absolviert, außerdem noch an anderen Universitäten in Europa studiert und 1913 in München in Philosophie promoviert.
Durch die zahlreichen negativen Veränderungen in den 30er Jahren war Ajtsemnik völlig desorientiert. Sie schrieb damals einen Brief an Anastas Mikojan, in dem sie ihre Besorgnis darüber äußerte. Sie bat ihn zu erklären, warum ihre Werke nicht mehr ausgestellt und bei Wettbewerben ignoriert werden.
Ajtsemnik gab trotzdem nicht auf und arbeitete intensiv weiter, indem sie ein kostbares Erbe schuf. In ihren Porträts wurde die innere Welt und die Persönlichkeit der jeweiligen Person zum Vorschein gebracht. In ihren Werken der Kriegs- und Nachkriegsjahre nahmen massive Porträts (grosse, massive oder Massen?) einen besonderen Platz ein.
Während des Zweiten Weltkriegs stellte Ajtsemnik ihre Wohnung vorübergehend Flüchtlingen zur Verfügung und zog selbst in ihre Werkstatt, wo sie die eigenartige Porträtreihe schuf. Alle Skulpturen haben eine gewisse expressive Flexibilität.
1.Major Antonow, 1941, 2. Chirurg Ketschek, 1943, 3. Malerin S. Karagjosjan, 1934, 4. Geiger A. Gabrieljan, 1942
1943 wurde Aschot Ionesjan aus dem Gefängnis entlassen. Nach einem Jahr heirateten sie endlich. Aber das Unheil ließ Ajtsemnik weiterhin nicht in Frieden. 1947 brach die Decke ihrer Werkstatt zusammen und vernichtete mehr als 40 ihrer Entwürfe und Werke. Erst nach zahlreichen Beschwerdebriefen an die damaligen staatlichen Strukturen wurde nach einem Jahr möglich, die Werkstatt zu renovieren. Danach konnte sie sich weiterhin ihrer künstlerischen Arbeit widmen.
Mehr als 20 Jahre lang arbeitete Ajtsemnik an der Statue des größten armenischen Historikers, Mowses Chorenatsi. Sie beendete die Arbeit 1961. Die Bronzestatue steht bis heute in einer der Halle des Handschriftenmuseums „Matenadaran“ in Jerewan.
1956 wurde Urartu als „Verdiente Künstlerin der UdSSR“ und 1960 als „Volkskünstlerin Armeniens“ ausgezeichnet.
In den 60er Jahren hörte Ajtsemnik krankheitsbedingt mit ihrem Schaffen auf. Sogar das Schreiben fiel ihr schwer, doch ihre starke Willenskraft trieb sie weiter voran, so dass sie immer noch aktiv am künstlerischen Leben Armeniens teilnahm. Bis zu ihrem Tod leitete sie den Künstlerfonds Armeniens, war Mitglied des Beirates der Künstlerunion und Abteilungsleiterin für Bildhauerei der Künstlerunion.
Ajtsemnik Urartu verstarb 1974.
Das böse Schicksal scheint sie bis noch heute zu verfolgen. Nach ihrem Tod wurden ihre Werke vergessen, als ob es in der Kunstgeschichte Armeniens keine Ajtsemnik Urartu, die erste Bildhauerin des Landes, gegeben hat. Ihre bekannte Skulptur „Das Mädchen mit dem Krug“ (1938) steht heute halbgebrochen, verlassen und einsam im Abowjan-Park.
Nun sind schon 121 Jahre nach Ajtsemniks Geburt vergangen. Leider wurde letztes Jahr zu ihrem 120. Geburtstag nicht einmal in der Nationalgalerie Armeniens ihrer gedacht, keine einzige Ausstellung organisiert. Ajtsemnik hatte keine Nachkommen. Ihre Freunde und Verwandten leben schon länger nicht mehr, doch sie hat ein umfangreiches Erbe hinterlassen, das heutzutage zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist.
„Die Ernte“, 1945
Artikel von Anna Zakaryan